Pfingsten auf Juist, einer deutschen Nordseeinsel – das kann wettertechnisch gar nicht so dramatisch werden. Dachte ich. Und ging selten optimistisch diese Reise mit der damals dreijährigen Lady L an. Von einem schottischen Sturmtief hatte ich bis dahin noch nie etwas gehört.
Aber der Reihe nach: Gleich am Anleger in Norddeich begrüßte mich ein fieser Regen. Dazu dieser Wind! Und mein geliebtes Meer sah aus wie zu lang gekochte Linsensuppe. Es war zum Heulen. Meine ganze schöne Euphorie war weg, mir war schweinekalt, überall regnete es alles nass und weit und breit war niemand, der mich aufmunternd hätte anlächeln können.
Stürmische See
Ich wollte sofort zurück! S.O.F.O.R.T! Da bemerkte ich, dass Lady L fröhlich wie immer auf ihrem Laufrad saß, durch sämtliche Pfützen fuhr und versuchte den Regen, der von ihrem Helm tropfte, mit ihrer vorgestülpten Unterlippe aufzufangen. Kurz: Das Wetter war ihr shietegal. Davon schnitt ich mir einige Scheiben ab und lächelte auch noch milde gestimmt, als mir vom heftigen Seegang auf der “Fähre” ungewohnt speiübel wurde. Zum Glück dauerte die Überfahrt auf die autofreie Insel Juist nur knapp 1 Stunde und mein Kind war bestens in der liebevollen Kinderecke aufgehoben. Ich konnte also ruhigen Gewissens eine Cola nach der anderen zischen.
Auf Juist angekommen hatte ich wirklich Mühe, das Schiff zu verlassen: Der Wind pfiff dermassen stark von allen Seiten, dass ich mich mit ausgestreckten Armen in die Luft legen konnte, ohne umzufallen. Ein Blick in die Menge verriet: Beunruhigt war hier deswegen niemand. Also schnappte ich mir Leni, schnallte sie und das Laufrad im Buggy fest und schob mit aller Kraft voraus. Einhändig. Denn mit der anderen Hand zog ich den nicht ganz leichten Koffer hinter mir her, der vom Wind immer wieder umgeblasen wurde. Pferdekutschen mit anderen Touristen, warm eingemummelt in wahrscheinlich spezielle Sturm-Decken, klackerten fröhlich winkend an mir vorbei und wurden sanft trabend in ihre warme, trockene Unterkunft gebracht. Da half nur noch eines: Ich stellte mir vor, wie die Szene im Film rüberkäme und musste grinsen. Was mir auch über die Tatsache hinweghalf, dass ich mal wieder keine Ahnung hatte, wo ich genau hinmusste.
Schottisches Sturmtief! Darauf ein Teechen
Aber Juist ist ein Paradies für Orientierungslose: Vom Anleger weg führt nur eine Kopfsteinpflaster-Straße in Richtung Häuser. Dieser folgte ich zielstrebig und kam nach einigen Malen Koffer aufheben, Kind bespaßen (“Ist dieser Wind nicht lustig? Und erst der Regen, ge? Komm, wir singen.”) und gedanklichen Verhandlungen mit Petrus tatsächlich in der Pension an. Diese war – na ja – in die Jahre gekommen. Aber warm und trocken und mit einer sehr netten Chefin. “Was haben Sie Pech mit dem Wetter, Kindchen. Solange ich hier auf der Insel lebe, habe ich noch nie so ein Wetter an Pfingsten erlebt”. “Oh. Na ja, wird ja bestimmt morgen besser”, lächelte ich sie hoffnugnsfroh an. “Nee, nee. Der Radio sacht wat von schottischem Sturmtief. Das bleibt erst ma so. Teechen?”.
Schottisches Sturmtief. SCHOTTISCHES STURMTIEF. Mehr konnte ich nicht sagen. Nicht denken. Mein ganzer Körper bestand quasi aus den Wörtern schottisches Sturmtief. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Gar nicht vorstellen können, weil ich vorher noch nie etwas von einem schottischen Sturmtief gehört hatte. Mein Plan war vielmehr, mit Leni Sandburgen zu bauen, Muscheln zu suchen, im Strandkorb Geschichten vorzulesen, mir einen leichten (!)- Nordseewind um die Nase wehen zu lassen und gesunde Sonne zu tanken. Was bitte sollte ich denn die ganze Zeit mit einer Dreijährigen in einem angestaubten Pensionszimmer machen, während draußen das schottische Sturmtief regierte?
Juister Shietwedda-Programm
Die Juister wissen schon, wie´s geht: Spaß haben trotz schlechtem Wetter. Und so gibt es einige schöne Angebote, damit die Regentage im Urlaub nicht die ganze Erholung ruinieren: Das Meerwasser-Erlebnisbad auf der Düne, zum Beispiel. Mir original warmen Nordseewasser und Rutsche. Liebevoll, unaufgeregt und ein garantierter Müdemacher. Weiteres Plus: Kostenfrei für 1,5 Stunden mit der TöwerCard, der Kurkarte.
Spaß hatte Leni auch im Spielraum im Haus des Kurgastes. Das große Zimmer beheimatet die unterschiedlichsten Spiele und Geräte für Kinder ab dem Krabbelalter. Und wie überall auf der Insel war es auch hier – tiefenentspannt. Kein überlautes Kindergeschrei, keine übersteuerten Eltern. Ich habe sogar ein paar Seiten gelesen in diesem “Indoor-Spielplatz”, der auf Juist schlicht Spielraum heißt. So geht´s auch.
Wäre meine Tochter älter gewesen, hätten wir noch ein viel mehr aus dem abwechslungsreichen Schlechtwetterprogramm in Anspruch nehmen können: Kinderanimation, Spielenachmittag oder Kino beispielsweise. Es ist wirklich einiges geboten für die Shietweddatage auf Juist. So macht ein schottisches Sturmtief richtig Spaß!
Und am Ende unseres Aufenthalts kam sie ab und zu durch – die Sonne. Sofort runter an den Strand, Nase in den Meerwind und baggern, was die Sandschaufel hergab.

Kilometerlang: Strand auf Juist

Sandbagger für Sandburgen auf Juist
Cool – und für windige Regentage fast überlebenswichtig – ist auch, dass im Zentrum der autofreien Insel alles fußläufig sehr gut zu erreichen ist. Außerdem haben dort selbst Orientierungsnieten wie ich nach kürzester Zeit den vollen Durchblick. So konnte ich mich beruhigt auf die schönen Shops und die lifestylig-erdigen Cafés und Restaurants konzentrieren – schon lange habe ich nicht mehr so gut gegessen wie auf Juist. Und von der Kinderfreundlichkeit dort können sich selbst die Italiener noch eine Menge abschneiden.
Fazit: Ich habe mich in Juist verliebt – trotz oder gerade wegen des schottischen Sturmtiefs. Nicht auszudenken welche Liebe bei Sonnenschein entstanden wäre. Am Ende hätte ich nie wieder Urlaub im Süden gemacht.



